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300, KUNSTVEREIN SCHLOSS PLÖN `2011

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von Valentin  Rothmaler
Professor für Architektur und Kunst an der Hochschule Wismar

Das Duo Pepper/Woll klingt wie eine smarte Erfindung für den Kunstmarkt, ist es aber nicht. Mark Pepper und Thomas Woll lernten sich auf der Kunstakademie in Düsseldorf kennen und arbeiten seit einigen Jahren auch zusammen als das Duo Pepper/Woll. Der erste ist trainierter Architekt, der sich auf der Akademie zum Künstler entwickelt hat, der zweite ist Bildhauer und als Duo ergänzen sich Künstler und Architekt vor allem natürlich auch im urbanen Umfeld, das sie kritisch hinterfragen und durch eigenwillige Interventionen zur Diskussion stellen. Im Kunstverein Schwimmhalle Schloss Plön haben wir gerade sehr erfolgreich die Arbeit „300“ von Pepper/Woll gezeigt, die eine kritische Auseinandersetzung mit den Produktionsbedingungen unserer Zeit in ironischer Brechung durch das uralte handwerkliche Verfahren der Pappmaché Abformungen zur Anschauung bringt, eine eindrucksvolle Arbeit, die wir als Bodenarbeit in der Fläche des ehemaligen Schwimmbeckens eingerichtet hatten, die sowohl an die Arbeiten eines Raffael Rheinsberg denken lassen, als auch an die soft sculptures von Claes Oldenburg.


300, KUNSTVEREIN KÖLNBERG `2011

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Zur aktuellen Ästhetik des Konsumismus / von Florian Kuhlmann

In der Einladung zur Ausstellung heißt es trotz der politischen Brisanz der Projekts wie gewohnt lakonisch formuliert “Pepper / Woll verweisen mit ihrer Arbeit auf eine Art Produktionsprozess, indem sie 300 von ihnen erworbene 1.00 Euro Artikel abformen. In der Zeit von 15 Tagen, kreiert das Künstlerduo ein schon in der Entstehung vergängliches Produkt, welches sich durch die Beschaffenheit von Papier, Wasser, Farbe und Leim vom ersten Tag der Erstellung bis zum Tag der Ausstellungseröffnung und darüber hinaus verändert.

Pepper / Wolls ,,300″ lässt auf den ersten Blick eine Rückkehr zu den traditionellen Werten des Handwerks vermuten, doch auf dem zweiten Blick lenken sie das Interesse auf die Behandlung der Oberfläche, jener brüchigen Linie zwischen dem Realen und seinem künstlerisch produziertem Abbild.”

Für den Autor dieser Zeilen deuten sich darüber hinaus auf den dritten Blick noch weitere Bezüge an. So kommt es unwillkürlich zu Assoziationen zu Pier Paolo Pasolinis Freibeuterschriften. Diese Schriften aus den 70er Jahren des vergangenen Jahrhunderts sind leidenschaftlich formulierte Parteinahme für die von der zweiten Technischen Revolution bedrohte Natur und Kultur des alten, bäuerlichen Italien, dessen Werte Pasolini gegen die heraufziehende Barbarei des 21. Jahrhunderts in Schutz nimmt.

Pasolini schreibt dort etwa in einem Aufsatz über das Verschwinden der Glühwürmchen “Ich gäbe den ganzen Montedison-Konzern für ein Glühwürmchen her: ‘Gegenüber den Methoden dieses “neuen Faschismus” (Pasolini) erscheint der traditionelle als hoffnungslos veraltet und ineffektiv: Mit Hilfe der elektronischen Medien. Allen voran des Fernsehens, verbreitet der “neue Faschismus” seine Konsumideologie, gepaart mit sexueller Permissivität und falscher Toleranz. Bis in den letzten Winkel der Erde und nivelliert und standardisiert alle lokalen und regionalen Kulturen zu einem Einheitsbrei.”

Passolini deutet dort mit drastischen Worten eine Eskalation der kapitalistischen Mißverhältnisse an, die aktuell immer deutlicher zu Tage tritt und viele von uns derzeit mehr oder weniger sprach- und orientierungslos zurücklässt.

Auf den vierten Blick bietet sich über den Titel 300 ein Verweis auf die gleichnamige Comicverfilmung von Frank Miller von 2007 an, die sich ebenfalls, wenn auch mit den Mitteln des Films, mit einer Ästhetik der Barbarei und der Massenkultur beschäftigt. Die Artefakte dieser Barbarei der Massenkultur aus den 1-Euro-Shops unserer Welt sind es, die Pepper und Woll hier für ihre Arbeit inspiriert haben. Nach diesen Vorlagen haben die beiden in einer 15-tägigen Akkordarbeit ihre vergänglichen Objekte produzierten und sind dabei wieder einmal an die Grenzen ihrer eigenen Belastungsfähigkeit vor gestoßen. Es hat sich gelohnt!

PARKHAUS-PUDELPARK, Düsseldorf `2013

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Mark Pepper und Thomas Woll verfolgen neben ihrer individuellen künstlerischen Arbeit kontinuierlich Gemeinschaftsproduktionen und Interventionen in städtischen Räumen. Für das Parkhaus in Düsseldorf konzipieren sie eine temporäre Intervention, die eine ungewöhnliche Brache im städtischen Raum aktiviert. Das großflächige Parkhaus-Deck unter freiem Himmel wird als ungewöhnlicher Aussichtspunkt und Erlebnisraum im Alltag inszeniert. Ironisch wird hierfür ein neues Symbol ins Leben gerufen: der Pudel als synonymes Wahrzeichen urbaner Lebensqualität und Domestizierung. Zwei Pudel-Skulpturen, die sich der architektonischen Ausstattung des Gebäudes anpassen, bekrönen als architektonische Wahrzeichen weit sichtbar das obere Parkdeck.
Geplant ist – in Kooperation mit dem Parkhausbetreiber – die Nutzung des „Parks“ im funktionalen Kontext des alltäglichen Parkhaus-Betriebes. Ähnlich einem Auto-Kino wird der Park – ein Parcours aus Pudelhäusern, Skulpturen und kleinen Inszenierungen – mit dem Auto erschlossen. Ein längerer Aufenthalt auf dem Parkdeck wird nicht ausgeschlossen. Die Mitnahme von Pudeln erlaubt. Mit diesem Projekt knüpfen Pepper/Woll an Aktionen wie das kürzlich für den Dortmunder Kunstverein entwickelte Projekt „Stein mit Vollausstattung“ an, das einen durch ein Windrad beheizten Naturstein im Stadtraum als Schnittstelle zwischen Kunst, Natur und Technik anbietet. Pepper/Wolls Inszenierungen schaffen hybride Räume, die Kunst und Alltag, institutionelle und freie Räume miteinander vernetzen. Zugleich erreichen Sie unterschiedliche Nutzer- und Publikumsschichten. Die große Fläche der oberen Parkhaus-Etage wird für einen Zeitraum zu einem vielschichtig interpretierbaren Rezeptionsraum, der einen unkonventionellen Diskurs über urbanes Leben vorantreiben kann.

Sabine Maria Schmidt
Kuratorin und Autorin, Düsseldorf
Juni 2012

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